OPPENHEIMER hat die Erzähldichte von gefühlt fünf Filmen und eignet sich im manchmal etwas langweiligen Einerlei der zahlreichen Biopics als Vorlage für ettliche Schreibinspirationen. Doch mir geht es hier bei aller Komplexität dieses inzwischen sieben Oscar schweren Hits um eine relativ einfache „Lektion“: Die der prägnanten Charakterisierung. Und die leistet in einem Film, der nichts anderes als die thermonukleare Zerstörung der Welt zum Thema hat – ein Apfel.
Gut, zugegeben es ist nicht irgendein Apfel. Sondern ein mit Zyankali vergifteter Apfel, den der junge OPPENHEIMER (Cilian Murphy), da auf dem Schreibtisch seines Professors zurücklässt. Aber im Vergleich zur Konstruktion der ersten funktionierenden Atombombe ist es nun wirklich ein Klacks. Also warum stürze ich mich jetzt ausgerechnet auf dieses insignifikante Detail?
Weil uns hier Drehbuchautor und Regisseur Christopher Nolan früh in der Geschichte mit einem kleinen Detail schon wahnsinnig viel über den Charakter „seines“ Oppenheimers verrät. Ja, es mag umstritten sein, ob der reale Oppenheimer nun wirklich versucht hat seinen Professor zu vergiften. Aber im Film ist es so.
Und abgesehen von der symbolischen Aufladung dieses vergifteten Apfels verrät es uns viel über Oppenheimer: Er brennt für die Wissenschaft – so sehr, dass er dafür auch viel zu weit gehen, ja morden würde. Nolan zeigt uns aber auch, dass Oppenheimer Gewissensbisse bekommt und später verhindern will, dass der Professor wirklich in den Apfel beißt. Oppenheimer hat am Ende also doch ein Gewissen. Beide Eigenschaften sind enorm prägend für die Figur und erzählen die große Geschichte hier schon einmal in einer (vereinfachten) Miniatur-Version. Ein symbolisches Foreshadowing dessen, was da noch kommen wird.
Gleichzeitig erregt es sofort unser Interesse an Oppenheimer. Wer ist dieser Mann, der so weit gehen würde? Klar, „Kill the Professor“ wirkt erstmal wie das Gegenteil von „Save the Cat“, andererseits zeigt es in den Gewissensbissen dann doch auch Oppenheimers „positive“ Seite. Aber mehr noch zeigt es uns: Das hier ist ein extremer, ein getriebener Charakter. Und das signalisiert uns auch – Oppenheimer ist alles andere als langweilig. Wir müssen die Hauptfigur eines Filmes nicht mögen, aber wir müssen sie interessant finden. Und je früher und prägnanter wir dem Publikum zeigen können, warum eine Figur interessant ist, umso besser.
OPPENHEIMER (2023)
Regie & Drehbuch: Christopher Nolan